Christian Kreuzberger

Textfelder zu Freud und Lacan

Wille – Wunsch – Begehren

Quellen des Sprechens bei Peter Handke

Abstract

Bei der Bearbeitung von Texten sind grundsätzlich zwei Haltungen zu unterscheiden: eine phänomenologische, die sich auf das signifikante Material konzentriert, um es nach linguistischen und rhetorischen Regeln zu analysieren; und eine genealogische, die darüber hinausgeht, indem sie die gefundenen textuellen Figuren nach ihrer Herkunft befragt. Während die erste im Text ein letztes Ziel sieht, legt ihn die zweite als „Manifestation von etwas anderem“ aus. Freuds Psychoanalyse ist ein Beispiel dafür: Sie nimmt den Traum, den Witz, den Versprecher … als Symptom, d.h. als entstellte Übersetzung unbewusster Wunschregungen. Die analytische Aufgabe ist es, ausgehend von der konkreten Rede (dem Manifesten) die latenten Wunschgedanken zu erschließen.

Mein „Versuch über Peter Handke“ ist der zweiten Position verpflichtet und will weniger in das Werk des Autors einführen, als vielmehr zu den Quellen seines Sprechens vordringen. Die Analyse umfasst Handkes „Textkörper“ von den HORNISSEN (1966) bis zur GESCHICHTE DES BLEISTIFTS (1982). Ausgehend von den Zügen und Brüchen im manifesten Textkörper wird versucht, die latenten Gedanken und Strebungen zu erforschen, denen Handke als Sprecher/Schreiber unterliegt. In diesem Sinn lassen sich drei symbolische Felder mit je einer zentralen Quelle des Sprechens verorten:

Der WILLE: Dieses Sprechen des Autors richtet sich bewusst gegen ökonomisch dominierte Systeme des (vorwiegende öffentlichen) Sprechens, das beharrlich danach strebt, „die Welt der Erscheinungen auf einen Endpunkt“ zu bringen (WÜ, 76), einfach gesagt: Dieses Triebwerk des Sprechens richtet sich gegen das Prinzip „Macht“.

Der WUNSCH – Dieses Sprechquelle gibt an, worauf Handke aus ist und orientiert sich an dem für ihn Wünschenswerten. Die erklärte Absicht seines Schreibens ist es, seine/unsere Welt auf den Stand eines menschenwürdigeren Daseins zu bringen. Dieses Sprechen ist getragen von einem beharrlichen Denken des Anfangs – Poesie, wie Handke sie versteht , zielt auf die „Erschütterung“.

Das BEGEHREN – Diese Sprechquelle verleiht Handkes gesamter literarischer Produktion eine metonymische Struktur, wie sie im Bild des beharrlichen Gehens von ihm immer wieder beschworen wird. Themen werden gefunden, verkettet, verschoben. Das Ziel des literarischen „Schrittes“ (eines Werkes) ist der Ausgangspunkt für einen weiteren Schritt (ein nächstes literarisches Werk). Der literarische Gang erhält seinen Wert nicht wie üblich von einem Ziel, sondern aus dem Antrieb einer „innere Stimme“: den Trieb.

Vortrag am IWK, 3. Oktober 1985

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